14. Mai 2025, 9-10:30 Uhr | Online

#VMW-Frühstück: Pooled Funds – Kooperation, Wirkung und Kontrolle

#VertrauenMachtWirkung-Frühstück zu, These #5 Partnerschaft und Netzwerke mit dem Media Forward Fund, der Rudolf Augstein Stiftung und Algorithm Watch

Pooled Funds, gemeinschaftlich organisierte Förderfonds, sind ein zunehmend genutztes Instrument, um komplexe gesellschaftliche Herausforderungen wirkungsvoll anzugehen. Im #VMW-Frühstück haben wir mit Stephanie Reuter von der Rudolf Augstein Stiftung, Martin Kotynek vom Media Forward Fund und Matthias Spielkamp von AlgorithmWatch diskutiert, wie Pooled Funds funktionieren, welchen Mehrwert sie bieten – und wo die Stolpersteine liegen.

 

Warum und wozu braucht es Pooled Funds?

Pooled Funds ermöglichen Stiftungen, systemisch zu arbeiten und in Felder zu investieren, die sich im Alleingang schwer erschließen lassen. Stephanie Reuter beschreibt sie als Instrument zur Bündelung von Mitteln, Wissen und Netzwerken – mit dem Ziel, mehr Wirkung zu entfalten, Sichtbarkeit für Themen zu schaffen oder gemeinsam in neue Förderfelder vorzudringen. Rund 45 % des Förderbudgets der Rudolf Augstein Stiftung fließt in Pooled Funds, weil sich viele Herausforderungen nur im Verbund bearbeiten lassen. Besonders in noch wenig entwickelten Themenfeldern bieten Pooled Funds die Möglichkeit, gemeinsam Sichtbarkeit zu schaffen, weitere Fördernde ins Feld zu holen und Explorationsprozesse zu starten.

Zugleich bündeln sie Expertise. In gut gestalteten Fundprozessen wird nicht nur Geld eingebracht, sondern auch Wissen und Netzwerke. Bedarfsanalysen erfolgen gemeinsam, Entscheidungen werden in kollektiven Gremien vorbereitet, und alle Beteiligten können am Lernprozess teilnehmen. Das kann auch für kleinere Stiftungen vorteilhaft sein, weil sie ihr Wissen in Prozesse und Förderungen einbringen können, die weitreichender sind, als es ihre eigenen Kapazitäten erlauben würden.

Besonders gut eignen sich Pooled Funds zum gemeinsamen Erschließen eines neuen Förderfelds oder um eine Krisensituation zu adressieren, in der bestehende Strukturen noch nicht vorhanden sind. Auch dort, wo einzelne Stiftungen nicht alleine in Erscheinung treten möchten – z. B. bei politisch sensiblen Themen – bieten Pooled Funds einen Schutzraum, in dem Wirkung dennoch ermöglicht wird.

Oft zögern Stiftungen, in einen Pooled Fund einzusteigen. Stephanie Reuter sieht dafür mehrere Gründe: Pooled Funds sind keine Bühne für individuelle Profilierung, sie erfordern das Teilen und damit auch das Abgeben von Kontrolle. Gerade Gremien tun sich mit diesem Schritt häufig schwer. In manchen Funds, wie etwa bei Civitates, wurde bewusst ein gleichberechtigter Ansatz gewählt: Alle beteiligten Stiftungen gaben denselben Betrag, um auch kleinere Partner*innen einzubinden und zu vermeiden, dass eine höhere Förderbeteiligung automatisch mit mehr Einfluss verbunden ist. Dies führte zwar zu einer niedrigeren Fördersumme, sicherte jedoch Diversität und Augenhöhe. Andere Fonds, wie der Media Forward Fund, arbeiten mit Mindestbeiträgen, um ein bestimmtes Fördervolumen zu erreichen. In beiden Fällen ist Vertrauen in die koordinierende oder gestaltende Organisation entscheidend. Nur wenn dieses Vertrauen vorhanden ist, können größere Summen und Entscheidungsmacht tatsächlich abgegeben werden.

Allerdings ist eine externe Gestaltungsorganisation nicht zwingend erforderlich. Es gibt auch Funds, bei denen die beteiligten Stiftungen selbst das Entscheidungs- und Gestaltungsorgan bilden. Wie Stephanie Reuter betont, unterscheiden sich die Governance-Strukturen von Funds zum Teil erheblich. In einigen sind Stiftungen aktiv in die Steuerung eingebunden und bringen fachliche Expertise ein, in anderen beschränkt sich das Engagement auf die finanzielle Beteiligung. Beziehungspflege bleibt in jedem Fall anspruchsvoll, da alle Beteiligten unterschiedliche Rollen, Erwartungen und Beiträge mitbringen – nicht nur finanzieller Natur. Die große Stärke von Pooled Funds liegt in ihrer Flexibilität, die jedoch belastbarer und regelmäßig überprüfter Governance-Mechanismen bedarf, um dauerhaft tragfähig zu bleiben.

 

Wie funktioniert die Gestaltung und Organisation eines Pooled Funds?

Martin Kotynek berichtet aus der Praxis des Media Forward Fund, bei dem die bewusste Entscheidung getroffen wurde, keine Mittelvergabe durch die einzahlenden Stiftungen selbst vorzunehmen. Stattdessen wurde eine unabhängige Jury eingerichtet. Ziel war es, die notwendige maximale Staatsferne in der Journalismusförderung sicherzustellen – und eine klare Trennung zwischen Finanzierung und Entscheidungspraxis zu etablieren. Niemand, der einzahlt, soll je entscheiden dürfen, wer das Fördergeld erhält, betont Martin Kotynek. Diese Struktur schaffe eine starke Legitimität und ein hohes Maß an Unabhängigkeit.

Die Aufgaben der Gestaltungsorganisation Media Forward Fund, eine philanthropische Kollaboration, die Medienvielfalt in Deutschland, Österreich und der Schweiz fördert, sind breit gefächert. Im Mittelpunkt steht die operative Arbeit mit Fokus auf Fundraising: Derzeit liegt das Volumen bei 10 Millionen Euro, angestrebt werden 25 Millionen. Strategische Prozesse begleitet der Fund durch ko-kreative Moderation. Ein besonderer Schwerpunkt liegt auf dem Upskilling in der Medienlandschaft, insbesondere in der bislang vernachlässigten ökonomischen Ausbildung im Journalismus. Zudem betreibt der Media Forward Fund Advocacy, etwa für die Anerkennung von gemeinnützigem Journalismus – inspiriert von Modellen aus Österreich und den USA.

Große Vorteile sieht Martin Kotynek in der Rolle der Gestaltungsorganisation als vermittelnde Einheit. Diese kann politische Risiken puffern – gerade im Bereich Medienförderung. Zudem entsteht durch die gebündelte Infrastruktur ein größerer Hebel, der auch neues Geld mobilisieren kann. Der Fund wird günstiger, weil Verwaltungsaufgaben geteilt werden. So steht mehr Geld für die tatsächliche Förderung zur Verfügung.

 

Perspektive der Förderpartner*innen

Aus Sicht geförderter Organisationen bieten Pooled Funds Chancen und Herausforderungen zugleich. Matthias Spielkamp von AlgorithmWatch, beschreibt, dass er die Abwicklung und transparente Kommunikation durch Pooled Funds, von denen AlgorithmWatch gefördet wird, als deutlich schneller und effektiver wahrnimmt im Vergleich zu direkten Förderbeziehungen mit einzelnen Stiftungen. Ihm ist jedoch auch aufgefallen, dass die Fördersummen in Relation zu den Vermögen der beteiligten Stiftungen in den Funds oft überschaubar bleiben. Und es besteht unter geförderten Organisationen die Sorge, dass Pooled Funds den direkten Zugang zu individuellen Stiftungen ersetzen, ohne den finanziellen Rahmen entsprechend auszuweiten.

Es liegt an den Stiftungen, die Sorge zu entkräften, Pooled Funds könnten den direkten Zugang zu Stiftungen ersetzen. Entscheidend ist die Förderlogik, nach der eine Stiftung über die Beteiligung an einem Fund entscheidet. Bei der Rudolf Augstein Stiftung etwa kommen Pooled Funds nur zum Einsatz, wenn sie eine sinnvolle Ergänzung zur direkten Förderung sind. Wichtig ist ein bewusstes Abwägen: Wann ist die direkte Förderbeziehung zentral? Und wann schafft ein Fund echten Mehrwert, etwa durch gemeinsame Wirkung oder geringeren Aufwand? Pooled Funds sollten nicht dazu führen, bestehende direkte Beziehungen zu ersetzen, sondern dort eingesetzt werden, wo sie strukturell und inhaltlich sinnvoll sind.

Auf die Frage, ob es durch Pooled Funds zu mehr Austausch zwischen geförderten Organisationen kommt, antwortet Matthias Spielkamp differenziert: Im Rahmen der Pooled Funds, an denen er bisher beteiligt war hat er erlebt, dass die Netzwerkangebote grundsätzlich hilfreich sind, aber oft aufwendig und ressourcenintensiv. Denn geförderte Organisationen stehen unter dem Druck, in möglichst vielen Kontexten sichtbar zu sein. Trotzdem lohnten sich diese Formate, da durch sie Zugänge entstehen, die anderweitig kaum zustande kämen – etwa zu neuen Förderorganisationen.

 

Rollenklärung: Der Fund als Service-Einheit und strategischer Akteur

Martin Kotynek betont, dass der Media Forward Fund sich bewusst als Service-Einheit versteht. Der Fund begleitet Grantees eng, etwa durch Einzelcoachings, fachliche Beratung oder bezahlte Fortbildungen. Zudem kennt der Fund seine Förderpartner*innen durch den intensiven Auswahl- und Begleitprozess sehr genau – was wiederum eine passgenaue Vermittlung von Lernreisen oder Peer-to-Peer-Austausch ermöglicht. Ein Beispiel: Der Media Forward Fund organisiert finanzierte Learning Visits zwischen Organisationen, bei denen gezielt Stärken und Schwächen gematcht werden.

Der Media Forward Fund wurde gegenüber den Stiftungen bewusst als kollaboratives Format konzipiert. Alle beteiligten Stiftungen sind im Beirat vertreten und sollen aktiv mitarbeiten. Es wird angestrebt, das generierte Wissen nicht exklusiv beim Fund zu behalten, sondern untereinander zu teilen – etwa durch geteilte Due-Diligence-Prozesse und Erfahrungsaustausch, was zum Beispiel auch Förderentscheidungen in den Stiftungen erleichtern kann. Der Aufwand für Kommunikation und Transparenz ist beim Media Forward Fund eingeplant und gewünscht.

Auf die Frage nach der Entscheidungspraxis macht Martin Kotynek deutlich, dass der Fund eine hohe Autonomie besitzt. Der Beirat hat eine beratende Funktion. Entscheidungen trifft er in genau zwei Punkten: Bei der Auswahl der Jury und der Anpassung von Förderkriterien – auf Vorschlag der Geschäftsführung. Diese Struktur erlaubt schnelle Anpassungen und klare Verantwortung.

 

Zusammenarbeit mit Gremien

Zum Abschluss des Frühstückes gab es die Frage: Wie gelingt es, innerhalb einer Stiftung Gremien für Pooled Funds zu gewinnen? Stephanie Reuter beschreibt, wie sie in ihrer Stiftung mit dem Argument der „sense of urgency“ arbeitet: Die Frage, ob man die jeweilige Herausforderung wirklich allein lösen könne, wirkt oft als Katalysator. Neben dem Geld zählen hier auch Wissen, Netzwerk und Wirkungspotenzial. Gerade bei internationalen Themen sei Einzelhandeln heute kaum noch denkbar. Oft entstehe in der Beteiligung an einem Fund ein Moment des gemeinsamen Lernens, bei dem Gremien frühzeitig eingebunden sind und beobachten können, wie sich neue Organisationen, Themen und Wirkungswege entwickeln. Diese Dynamik kann Gremien motivieren mutiger zu sein, als Vorreiter zu agieren und kann vielleicht dazu führen, dass sich intern Hürden gegenüber partizipativer und ungebundener Förderung senken.

 

Weiterführende Links und Ressourcen, die während des Frühstücks zusammengetragen wurden:

 

 

Teil der Reihe
#VMW-Frühstücke