#VertrauenMachtWirkung ist eine Initiative, deren Mitglieder über die Zukunft von Stiftungen reflektieren, diese gestalten und dabei voneinander lernen. Die neun Thesen sind für uns der Kompass für dieses Engagement und Grundlage für nachhaltiges Stiftungshandeln. Dabei üben wir uns, die Thesen stets in ihrer Gesamtheit zu betrachten und als ineinandergreifendes Wertesystem zu verstehen. Wir wollen aufzeigen, wie und warum Stiftungen sich stets selbst hinterfragen und weiterentwickeln können. Voraussetzung hierfür ist für uns Vertrauen – in Partner*innen, Netzwerke und neue Arbeitsweisen, die Wandel erst möglich machen.

Als Initiative befinden wir uns, gemeinsam und jede Stiftung für sich, auf dem Weg. Durch unser Handeln nähern wir uns den Thesen und setzen uns mit ihnen auseinander. Wir laden andere Stiftungen ein, sich der Initiative #VertrauenMachtWirkung anzuschließen, um sich aktiv am Diskurs in der Stiftungswelt zu beteiligen und sich selbst in Richtung der Ziele weiterzuentwickeln.

Wir sind davon überzeugt, dass die Thesen wichtige Themen für den Stiftungssektor ansprechen. Daher verstehen wir #VertrauenMachtWirkung als Initiative und Impuls auf Zeit, um diese Prozesse anzustoßen.

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Stiftungen der Zukunft arbeiten sowohl nach außen als auch nach innen diversitätsbewusst.

Um ihrer gesellschaftlichen Verantwortung gerecht zu werden, und um die Qualität und Relevanz ihrer Arbeit sicher zu stellen, reflektieren Stiftungen ihr eigenes Verhalten, erkennen diskriminierende Strukturen und brechen sie auf. Sie setzen sich in ihrer Förder- und Programmarbeit sowie in ihren eigenen Stiftungsstrukturen für die Repräsentation und Anerkennung vielfältiger und unterschiedlicher Lebensrealitäten ein.

Stiftungen streben dabei die Sichtbarkeit unterrepräsentierter Gruppen und die Gleichberechtigung aller Menschen an – unabhängig von ihrem Geschlecht, ihrer Sexualität, Herkunft, Geschlechtsidentität, körperlichen und geistigen Fähigkeiten, sozialem Hintergrund, Aussehen, Religion und ihres Alters. Zu diesem Zweck betrachten sie Diversität als ein intersektionales Thema, das die Vielschichtigkeit und Verschränkung von Diversitätsdimensionen und ihre unterschiedliche gesellschaftliche Gewichtung in den Blick nimmt. Nur so können Stiftungen ein umfassendes Verständnis für die in unserer Gesellschaft bestehenden Macht- und Herrschaftsverhältnisse und die damit verbundenen Zugangsschwierigkeiten zu ökonomischen, sozialen, kulturellen und institutionellen Ressourcen entwickeln und diesen durch ihre Förder- und Programmarbeit bewusst begegnen.

Um wirksam gegen Ausgrenzung und Benachteiligung in unserer Gesellschaft vorgehen zu können, gehört für Stiftungen aber auch ein selbstkritischer Blick auf die eigene Organisationskultur, Rekrutierungsprozesse und Personalstrukturen. Ohne ein inklusives und diversitätssensibles Arbeitsklima wird es für Stiftungen zukünftig noch schwieriger sein, als attraktive Arbeitgeberinnen wahrgenommen zu werden und Zielgruppen in den eigenen Reihen repräsentieren zu können. Genau dies ist aber die Grundvoraussetzung für eine gleichberechtigte Zusammenarbeit mit Förderpartner*innen und die Glaubwürdigkeit der eigenen Arbeit.

Wie können Stiftungen diversitätssensibel arbeiten und fördern?

Praxisbeispiele
  • Stiftung Mercator: Im Jahr 2021 hat die Stiftung Mercator ihre neue Diversitätspolicy veröffentlicht, in der sie sich zu der Nutzung einer geschlechterinklusiven Sprache unter Verwendung des Gendersternchens selbstverpflichtet. Zudem hat sich die Stiftung Regeln auferlegt, wie sie bei der Auswahl von Sprecher*innen bei Veranstaltungen, der Besetzung von Gremien in Projekt- und Partner*innenkontexten sowie bei der Auswahl von besonders geförderten / sichtbaren Personen auf eine diverse Auswahl in Bezug auf das Geschlecht sowie den kulturellen, fachlichen und sozialen Hintergrund achten will. [LINK]
  • filia.die frauenstiftung: Als feministische Stiftung ist es filia wichtig, patriarchal geprägte Machtstrukturen zu durchbrechen. Mit ihren Förderprogrammen verfolgt die Stiftung seit Anbeginn einen intersektionalen Ansatz und unterstützt vor allem solche Projekte, die mehrfachdiskriminierte Frauen im Fokus haben. [LINK]
  • Stiftung Bildung: Die Spendenorganisation Stiftung Bildung unterstützt mit ihrem Förderpreis „Verein(t) für gute Kita und Schule“ Diversität im zivilgesellschaftlichen Bildungsengagement, indem sie Themen wie
    „Bildung frei von Geschlechterklischees“ oder auch „Chancengerechtigkeit l(i)eben“ ausschreibt und Projekte auszeichnet. [LINK]
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Stiftungen der Zukunft hören zu.

Dabei achten sie nicht nur auf die, die sie fördern und unterstützen, sondern suchen auch nach Wegen, wie sie unterrepräsentierten Stimmen mehr Gehör verschaffen können. Gleichberechtigtes Zuhören weitet dabei den eigenen Blick und fördert das kritische Hinterfragen eigener Annahmen. Beides begünstigt die Qualität der eigenen Arbeit, verlangt aber auch, aus der eigenen Komfortzone herauszutreten und offen für ehrliches Feedback zu sein.

Wir wollen, dass Stiftungen mehr und öfter mit Geförderten als Expert*innen ihrer Situation ins Gespräch kommen und das Gehörte in ihre Arbeit einfließen lassen. Das dafür notwendige Vertrauensverhältnis erfordert nicht nur eine Reflexion des Machtgefälles zwischen fördernder und geförderter Einrichtung, sondern auch die ehrliche Offenlegung des Zwecks des Zuhörens sowie die Bereitschaft, das Gehörte tatsächlich anzunehmen und konstruktiv umzusetzen. Gleichzeitig können Stiftungen ihre Förderpartner*innen auch in ihrer eigenen Zuhörpraxis stärken, indem sie konkrete Bedarfe abfragen und entsprechende Mittel, für beispielsweise Umfragen bei der Zielgruppe, bereitstellen.

Für die Schaffung eines vertrauensvollen Arbeitsklimas im Sinne einer modernen Organisationskultur hören Stiftungen auch innerhalb der eigenen Strukturen zu. Durch regelmäßige programm- und hierarchieübergreifende Gesprächs- und Feedbackformate können neue Erkenntnisse organisationsübergreifend gewonnen und Herausforderungen gemeinsam bewältigt werden. Gleiches gilt auch für das Zuhören von Stiftungen untereinander im Rahmen von Konsortien oder Netzwerken. Ein regelmäßiger Austausch zu Erfahrungswerten und Problemstellungen innerhalb des Sektors hilft, neue Handlungsimpulse zu generieren und aus den Erfolgen und Fehlern anderer zu lernen.

Wie können Stiftungen zuhören?

Praxisbeispiele
  • Schöpflin Stiftung: Die Schöpflin Stiftung, die sich selbst als lernende Organisation versteht, hat 2019 erstmals eine Partnerbefragung durchgeführt. Ziel der Befragung war es, nach vier Jahren Förderaktivität
    die Förderstrategie und -methodik gezielt zu überprüfen und den Partner*innen eine ehrliche Feedbackmöglichkeit zu geben. Für die Partnerbefragung wurden 82 aktuelle und ehemalige Förderpartner*innen sowie „Critical Friends“ angeschrieben, von denen sich über 80% beteiligt haben. [LINK]
  • Bertelsmann Stiftung: Die Befragung Mitarbeitender ist bei der Bertelsmann Stiftung Teil einer Reihe weiterer Feedbackkultur-Maßnahmen und ausschlaggebend für die Weiterentwicklung der Organisation. Die Befragung, die alle zwei Jahre stattfindet, wird vom Stiftungsvorstand, der Personalabteilung sowie dem Betriebsrat gemeinsam konzipiert. Zur Umsetzung des Feedbacks aus der Befragung erhalten die Führungskräfte Zugang zu den anonymisierten Ergebnissen, um dann in einer gemeinsamen Ergebnisbesprechung Maßnahmen mit dem eigenen Team zu diskutieren und einen Aktionsplan mit Verantwortlichkeiten festzulegen. In der Folgebefragung können die Mitarbeiter*innen dann wiederum Rückmeldung zu den getroffenen Maßnahmen und ihrer Umsetzung geben. [LINK]
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Stiftungen der Zukunft teilen ihre Macht.

Durch kontinuierliche Reflektion ihrer internen und externen Entscheidungsprozesse machen sie sich ihrer Macht und Privilegien bewusst. Sie arbeiten stets daran, die Voraussetzungen dafür zu schaffen, ihre Privilegien zu teilen und dem Machtgefälle zwischen fördernden und geförderten Organisationen entgegenzuwirken.

Stiftungen verfügen über Ressourcen, die Geförderte benötigen, und besitzen große Handlungsmacht und damit auch Verantwortung. Welcher Stimme wird zugehört? Welchem Prozess gefolgt? Wer wird gefördert? Nicht nur formale Entscheidungen, sondern jede Form der Kollaboration und Ideenfindung von Stiftungen hat viel Wirkpotenzial. Um ungleichen Machtverhältnissen langfristig entgegenzuwirken, sind sich Stiftungen dieser Macht bewusst und ebnen den Weg für mehr Beteiligung – von Programmgestaltung und Förderentscheidungen bis hin zu strategischen Fragen. Dies bedeutet, eine Führungs- und Entscheidungskultur zu schaffen, die auf Partizipation und Expertise beruht. Nur wenn es Stiftungen gelingt, Expert*innen als Verantwortungsträger*innen auch mit der entsprechenden Entscheidungskompetenz auszustatten, schaffen sie resiliente Strukturen im Inneren und können diese auch nach außen tragen. Dafür suchen Stiftungen den Schulterschluss mit ihren Teammitgliedern, Netzwerken, Kooperationen und Förderpartner*innen.

Wir wollen, dass Entscheidungswege in Stiftungen mehrdimensional werden und diese dazu anregen, partizipativer zu arbeiten – etwa, indem sie gemeinsam mit Förderpartner*innen Programme entwerfen und diese langfristig umsetzen. Genauso gut können Förderpartner*innen aber auch direkt in Entscheidungsprozesse eingebunden werden und Vertreter*innen der Zielgruppe in den Vorständen repräsentieren.

Wie können Stiftungen partizipativer arbeiten?

Praxisbeispiele
  • Kreuzberger Kinderstiftung gAG: „Diejenigen, die es angeht, selbst entscheiden lassen“. Nach diesem Motto treffen in der Kreuzberger Kinderstiftung gAG Vertreter*innen der Zielgruppe in den Auswahlgremien die Förderentscheidungen. Als gemeinnützige Aktiengesellschaft lädt sie die Zielgruppe zudem ein, als Aktionär*in Eigentümer*in der Gesellschaft zu sein und in Hauptversammlung und Aufsichtsrat Verantwortung für die Themen der Stiftung – Bildungsgerechtigkeit und Jugendengagement – zu übernehmen. Gegenwärtig sind rund ein Viertel der Aktionär*innen unter 30 Jahre alt und/oder ehemalige Stipendiat*innen der Stiftung. Fünf von acht Aufsichtsratsmitgliedern sind zudem ehemalige Stipendiat*innen. [LINK]
  • Schöpflin Stiftung: Der Beirat der Schöpflin Stiftung berät, unterstützt und überwacht den Vorstand bei der Verfolgung des Stiftungszwecks. Neben Vertreter*innen der Stifterfamilie umfasst das Gremium auch externe Persönlichkeiten, die ihre Expertise zum Wohle der Stiftung einbringen. Seit 2021 ist eine Position immer durch eine*n Vertreter*in aus dem Kreis der aktuellen oder ehemaligen Förderpartner*innen besetzt. [LINK]
  • Stiftung für Kunst, Kultur und Geschichte (SKKG): Die Auseinandersetzung mit dem Kulturerbe begünstigt gegenseitiges Verständnis, Toleranz und geteilte Werte. Ein Grund für die SKKG, mit ihren drei Förderprogrammen Wagnis, Skalierung und Struktur Schweizer Sammlungen und Museen dabei zu unterstützen, Partizipationsmöglichkeiten in den Bereichen Sammeln, Konservieren und Restaurieren (weiter) zu entwickeln, zu testen und nachhaltig zu übertragen. [LINK]
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Stiftungen der Zukunft sind ehrlich gegenüber sich selbst und anderen.

Sie machen nicht nur ihre (Förder-) Kriterien und Entscheidungen transparent, sondern teilen ihre Erfahrungen und begegnen Partner*innen sowie Mitarbeiter*innen somit stets mit Offenheit und Respekt. Das bedeutet auch, dass sie Verantwortung übernehmen, indem sie eigene vermeintliche Misserfolge nicht versuchen zu verstecken, sondern mit diesen, im Interesse einer wachsenden Lernkultur und des gemeinschaftlichen Erkenntnisgewinns, transparent umgehen.

Niemand macht gerne Fehler – und schon gar nicht, wenn menschliche Schicksale daran geknüpft sind. Die Wahrheit ist aber auch: In der Philanthropie sind Erfolg und Misserfolg einer Förderung nicht immer leicht voneinander zu trennen. Dies liegt nicht nur an der Komplexität von Projekten, sondern auch an der unterschiedlichen Perspektive, die fördernde und geförderte Organisationen auf die Zusammenarbeit haben. Uns ist klar, egal wie strategisch und gemeinschaftlich Programme entwickelt werden, Misserfolge lassen sich nie ausschließen. Doch wenn Stiftungen Fehler und Misserfolge teilen, kann das positive Effekte nach sich ziehen: Sie erweitern ihren eigenen Wissensfundus (und den des gesamten Sektors) und stoßen oft genug unerwartete positive Entwicklungen an.

Sich selbstbewusst den eigenen Fehlern zu stellen, ist Teil einer transparenten Grundhaltung, die unabdingbar ist, um glaubwürdiges Stiftungshandeln nachhaltig zu stärken. Das heißt, das eigene Wissen und Daten offenzulegen, auf deren Basis Entscheidungen gefällt und Mittel eingesetzt werden. Darüber hinaus wollen wir, dass Stiftungen als gesellschaftliche Vermögensträgerinnen sich nicht nur mit der Verwendung, sondern auch mit dem Ursprung ihrer Mittel auseinandersetzen. Hierzu gehört eine ehrliche Reflektion über historische Verantwortung und die gemeinschaftliche Erarbeitung von Schlussfolgerungen, die sich hieraus für das (Förder-) Verhalten der Stiftung ergeben.

Wie können Stiftungen transparenter werden?

Praxisbeispiele
  • Alfred Landecker Foundation: Die Alfred Landecker Foundation wurde von der Familie Reimann ins Leben gerufen. 2016 gab sie die Erforschung der Geschichte des Familienunternehmens Joh. A. Benckiser GmbH und dessen politische Verstrickung während der NS-Zeit in Auftrag. Ein vorläufiger Bericht förderte zutage, dass Albert Reimann sen. und Albert Reimann jun. überzeugte Unterstützer des NS-Regimes waren und während des Zweiten Weltkriegs in ihren Werken Zwangsarbeiter*innen einsetzten. Um die Lehren aus den Verbrechen des Nationalsozialismus in aktives Engagement im Hier und Jetzt zu übersetzen, hat die Familie Reimann die „Benckiser Stiftung Zukunft“ nach Alfred Landecker, einem im Holocaust ermordeten Juden, umbenannt. Zudem hat sich das Nachfolgeunternehmen Joh. A. Benckiser B.V. verpflichtet, für die nächsten zehn Jahre 250 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen, um im Sinne des Stiftungszwecks die Erforschung von Ursachen und Wirkungsweisen des Holocaust zu fördern und einen Beitrag zur Bekämpfung von Antisemitismus, dem Schutz von Minderheiten und der Stärkung des sozialen Zusammenhalts und unseres demokratischen Miteinanders zu leisten. [LINK]
  • #ImpulseStiften: Neben regelmäßigen Webtalks bietet die Initiative #ImpulseStiften Stiftungen in ihrem wiederkehrenden Format „Pleiten, Pech und Pizza“ wichtigen Raum für Ehrlichkeit. Verantwortliche aus Stiftungen berichten in dieser Veranstaltung, wie sie mit Missgeschicken oder persönlichen Tiefpunkten in ihrer Stiftungsarbeit umgegangen sind. Im Anschluss besteht Gelegenheit, sich in Kleingruppen über Fehler im Stiftungsalltag auszutauschen. [LINK]
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Stiftungen der Zukunft handeln gemeinsam in Partnerschaften und Netzwerken.

Sie legen Wert auf Synergien, die aus Partnerschaften entstehen können und verfolgen dabei nicht nur ihren Selbstzweck. Sektorübergreifende Partnerschaften zwischen öffentlichen Institutionen, Unternehmen, Stiftungen, Bürger*innen, Förderpartner*innen und Aktivist*innen wirken vielfach: Sie vereinen individuelle Anstrengungen, erzielen eine größere Reichweite und Aufmerksamkeit, verbessern das gegenseitige Verständnis und mehren das Wissen aller beteiligten Akteur*innen.

Stiftungen verstehen sich seit jeher als brückenbauende Institution und genießen eine hohe gesellschaftliche Akzeptanz. Sie sind daher besonders gut geeignet, verschiedene Akteur*innen zusammen zu bringen und sektor- und grenzüberschreitende Innovation voranzutreiben. Hierbei handeln Stiftungen nicht nur im Interesse der eigenen Weiterentwicklung, sondern sehen sich als Vermittlerinnen, welche Synergien in der Arbeit anderer erkennen und in ihren Netzwerken die Schließung von Partnerschaften über ihre eigene Organisation hinaus (z.B. zwischen Unternehmen und Förderpartner*innen) vorantreiben.

Als Anknüpfungs- und Treffpunkte für vielfältige Interessensvertreter*innen gehen Stiftungspartnerschaften mittlerweile weit über klassische Fördernetzwerke und -konsortien hinaus. Vielmehr bieten sie Austauschplattformen, über die sie von und mit Förderpartner*innen für ihre eigene Organisationsentwicklung und Arbeitsweisen lernen können. Zudem wollen wir, dass Stiftungen auch gezielt Räume für die Kollaboration von Förderpartner*innen untereinander schaffen, zum Beispiel durch speziell dafür ausgelegte Förderprogramme. Durch diese Vernetzung können Stiftungen dazu beitragen, dass bei zivilgesellschaftlichen Organisationen wichtige Ressourcen gezielt eingesetzt werden und Projekte eine Hebelwirkung entwickeln.

Wie können Stiftungen gemeinsam in Partnerschaften und Netzwerken handeln?

Praxisbeispiele
  • TalentMetropole Ruhr: Mit vielfältigen Bildungsangeboten zur Talentförderung und Berufsorientierung im Ruhrgebiet/ NRW setzt sich die Stiftung TalentMetropole Ruhr für Kinder und Jugendliche ein. Durch praxisnahe Workshops, Unternehmensbesuche, Ferienprogramme & Co. erhalten sie die Möglichkeit, sich auszuprobieren, ihre Stärken zu entdecken und Berufe kennenzulernen, die zu ihren individuellen Talenten passen. Gefördert werden engagierte junge Menschen – insbesondere aus weniger privilegierten Familien. Das Ziel: Bildungsaufstiege fördern und Fachkräfte sichern. Hierfür arbeitet die TalentMetropole Ruhr mit einem breiten Netzwerk aus Schule, Wirtschaft, NGOs und Politik zusammen. Neben ihren eigenen Projekten unterstützt die Stiftung weitere innovative Angebote und fördert Austausch und Kooperation. So werden jährlich mehr als 70.000 Talente entlang der Bildungskette erreicht – von der Kita über Schule bis hin zum Übergang ins Studium oder den Beruf. Die Stiftung TalentMetropole Ruhr ist eine gemeinnützige Tochter-gesellschaft der Initiativkreis Ruhr GmbH. [LINK]
  • Förderfonds Frauenhäuser: Als Antwort auf die Zunahme häuslicher Gewalt gegen Frauen und Kinder während der Corona-Pandemie haben im Dezember 2021 die Rudolf Augstein Stiftung, die Klaus und Lore Rating Stiftung sowie die Kurt und Maria Dohle Stiftung den Förderfonds „Zugang für alle“ ins Leben gerufen. Der Fonds unterstützt autonome Frauenhäuser schnell und unbürokratisch, um gewaltbetroffenen Frauen und Kindern mit prekärem Aufenthaltsstatus zur Seite zu stehen. [LINK]
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Stiftungen der Zukunft arbeiten innovativ.

Egal, ob sie bestehende Strukturen und Prozesse ändern wollen oder Gutes bewahren möchten: Stiftungen können innovativ sein, sowohl in dem, was und wen sie fördern, als auch in der Art und Weise, wie sie das tun. Sie trauen sich, bewusst Risiken einzugehen und erachten Misserfolge als wertvolle Lernerfahrungen.

Neue Ansätze in der Förder- und Programmarbeit zu testen, um beispielsweise flexibler, schneller und bedarfsgerechter auf akute Bedarfe von Förderpartner*innen oder der Zielgruppe eingehen zu können, ist für Stiftungen vergleichsweise unproblematisch. Schließlich unterliegen sie nur dem eigenen Ergebnis- und Erfolgsdruck. Das eröffnet ihnen die notwendigen Spielräume, Neues auszuprobieren und dabei auch Möglichkeiten, die eigene Wirkung zu maximieren.

Stiftungen wollen positiven gesellschaftlichen Wandel maßgeblich fördern und mitgestalten. Dazu gehört der Mut, auch die Projekte und Organisationen zu fördern, deren Erfolg bisher noch nicht hundertprozentig sichergestellt ist. Die Realität sieht aber oft anders aus: Weil Fördergelder immer nur einmal vergeben werden können, setzen Stiftungen viel zu oft auf Sicherheit. Macht aber niemand den Anfang und tätigt auch risikobehaftete Förderungen, bleiben wichtige Potenziale auf der Strecke.

Innovation sollte allerdings auch nicht bedeuten, sich selbst als Stiftung und die eigenen Förderpartner*innen dem allgemeinen Innovationsdruck zu unterwerfen und sich von bewährten Methoden, Strukturen oder Prozessen zu trennen. Vielmehr gilt es zu überlegen, an welcher Stelle Innovation tatsächlich angebracht ist und wo neue Lösungen wirklich gebraucht werden, weil sie zum Beispiel Arbeitsabläufe erleichtern können.

Wie können Stiftungen innovativ arbeiten?

Praxisbeispiele
  • Robert Bosch Stiftung GmbH: Für die Lösung komplexer Herausforderungen braucht es Ideen, die erprobt und weiterentwickelt und auch mal verworfen werden. Mit dem Förderansatz „Entwicklung von Ideen” stellt die Stiftung daher Ressourcen für Ideenentwicklungsprozesse zur Verfügung, ohne dass damit schon ein konkret realisierbares Projekt verbunden ist. Die Entwicklung kann mit und ohne Beteiligung der Stiftung geschehen, gemeinsames Lernen steht im Mittelpunkt des Prozesses. Das Ergebnis ist offen: Die Ideenentwicklung kann in ein Projekt münden, die Idee kann aber auch verworfen werden. Ziel ist, dass Organisationen mit flexibler Förderung einen Freiraum bekommen, ihren Ansätzen nachzugehen und so auf Lösungspotenziale stoßen, die über eine klassische Projektförderung nicht zum Vorschein kommen. [LINK]
  • Körber Stiftung: Die Stiftung will Chancen und Risiken von Innovationsprozessen diskutieren und für ein Klima kritischer Aufgeschlossenheit werben. Dafür stellt sie Plattformen wie Tagungen, Publikationen oder Expert*innen-Netzwerke zur Verfügung, um die Debatte mit operativen Impulsen und eigener Expertise voranzutreiben. Im Rahmen der Code Week Hamburg stellt die Stiftung beispielsweise gemeinnützigen Organisationen Mittel zur Verfügung, um neue innovative Workshopformate entstehen zu lassen, die das Interesse von Kindern an informatischer Bildung stärken sollen. Zudem unterstützt die Stiftung regionale Netzwerke in ganz Deutschland beim Aufbau von Code Week Standorten nach dem Hamburger Modell. [LINK]
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Stiftungen der Zukunft fördern mit Weitblick.

Im Sinne einer starken Zivilgesellschaft tätigen sie deshalb ungebundene und strukturelle Förderungen, um sowohl in die Organisationsstrukturen als auch in das Wissen ihrer Förderpartner*innen zu investieren. Nur so können Organisationen sich langfristig etablieren und nachhaltig wirken, aber vor allem auch auf neue Entwicklungen und unerwartete Situationen selbstbestimmt reagieren.

Stiftungen sollten daher weniger häufig auf den kurzfristigen Projekterfolg schielen, sondern ihren Blick vielmehr auf die geförderte Organisation und ihre realen Bedarfe lenken. Hierfür suchen sie idealerweise bereits in Förderanbahnungsprozessen das individuelle Gespräch oder fragen im Rahmen von Berichtlegungsprozessen Bedarfe ab. Projektungebundene Förderungen erlauben es Förderpartner*innen, selbst fundierte Entscheidungen über die beste Verwendung von Mitteln zu treffen und diese dort einzusetzen, wo sie am dringendsten benötigt sind und somit am besten wirken können. Auf diese Weise respektieren Stiftungen nicht nur die Erfahrungen und Fähigkeiten ihrer Förderpartner*innen, sondern fördern auch das gegenseitige Vertrauensverhältnis. Stiftungen, die keine Möglichkeit haben, projektungebunden zu fördern, sollten ihre Förderungen so flexibel wie möglich gestalten.

Neben dem Aufbau und dem Erhalt professioneller Strukturen durch die Bereitstellung struktureller Förderungen sollte Stiftungen daran gelegen sein, Förderpartner*innen auch bei der Erweiterung ihrer Kenntnisse und Fähigkeiten zu unterstützen. Dazu bietet es sich an, dezidierte Fördermittel für den Kompetenzaufbau zur Verfügung zu stellen, die beispielsweise für Weiterbildungen oder die Beauftragung von Trainer*innen genutzt werden können.

Wie können Stiftungen nachhaltig fördern?

Praxisbeispiele
  • filia.die frauenstiftung: „Change, not Charity“ ist filias Motto. Diesem Anspruch trägt die Stiftung Rechnung, indem sie Graswurzelprojekte fördert, die an der Basis etwas verändern und dadurch zu nachhaltigem sozialem Wandel beitragen. Oft sind filias Förderpartner*innen noch nicht etabliert in der NGO-Szene, weil sie noch jung und neu im Geschäft sind. Trotzdem fördert filia und setzt dabei auf Vertrauen in die Expertise und das Engagement ihrer Partner*innen, damit diese innovativ und frei arbeiten können. Durch regelmäßige Gespräche und die Vernetzung mit anderen Förderpartner*innen begleitet filia die Projekte in ihren Vorhaben intensiv. [LINK]
  • Max Kohler Stiftung: Unter dem Namen „Institutionelle Förderung für relevante Kulturinstitutionen“ hat die Stiftung ein Förderinstrument ins Leben gerufen, mit dem pro Einrichtung eine ungebundene Förderung in Höhe von CHF 300.000, verteilt auf drei Jahre, vergeben wird. Dabei folgt die Vergabe dem Grundsatz, dass Förderpartner*innen durch ihre Erfahrungen meist besser als die fördernde Stiftung einschätzen können, mit welchen Investitionen im Projektverlauf die höchstmögliche gesellschaftliche Wirkung erzielt werden kann. Sobald ein Ansatz nicht zu funktionieren scheint, sind die geförderten Organisationen dann entsprechend frei, die Mittel schnell und unbürokratisch anders einzusetzen. [LINK]
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Stiftungen der Zukunft geben mehr als nur Geld.

Gemeinnützige Organisationen brauchen oft mehr als die klassische Projektförderung, um erfolgreich und langfristig zu wirken. Stiftungen können Zugänge zu Netzwerken schaffen, sich mit ihrem Know-how einbringen und Sparringspartnerinnen auf einer gemeinschaftlichen Lernreise sein. Hierbei haben sie immer einen Blick für die Bedarfe und Ressourcen ihrer Förderpartner*innen und können abwägen, wo finanzielle Unterstützung genau das Richtige ist – und wo es anderer Förderung bedarf.

Starke und nachhaltige zivilgesellschaftliche Organisationen bauen auf vielseitigen Fördermaßnahmen auf, die genau dort ansetzen, wo Ressourcen fehlen. Finanzielle Unterstützung leistet hier zweifelsfrei einen essenziellen Beitrag – ist aber dennoch nur eine Möglichkeit auf einer bunten Förderpalette. Wir möchten deshalb, dass Stiftungen nicht stets den offensichtlichsten Förderweg wählen, sondern gemeinsam im engen Austausch mit ihren Förderpartner*innen Bedarfe ermitteln und die passendsten Unterstützungsformen eruieren: Welche Fortbildung kann angeboten werden, um eine organisationsinterne Herausforderung
zu überwinden? Welcher Kontakt zu anderen Organisationen kann hergestellt werden, die an denselben Themen arbeiten? Wie kann kleinen Vereinen mit Büroräumlichkeiten (z.B. in Coworking-Spaces) geholfen werden?

Mit ihrem Wissen und Kontakten stehen Stiftungen als zentral vernetzte gesellschaftliche Akteurinnen ihren Förderpartner*innen partnerschaftlich zur Seite und begleiten diese gesamtheitlich auf ihrer Mission. Dazu gehört für uns auch, dass Stiftungen sich mit ihren Förderpartner*innen dafür engagieren, dass deren Ziele auch mit politischen Mitteln verfolgt werden können. Denn für eine offene gesellschaftspolitische Auseinandersetzung braucht es den Handlungsspielraum, auch kontroverse oder unbequeme Positionen beziehen zu können. Wir möchten, dass Stiftungen sich solidarisch zeigen und sich in diesem Interesse dafür einsetzen, dass politische Initiativen durch rechtliche Rahmensetzungen in der Gesellschaft verankert werden.

Wie können Stiftungen vielfältig fördern?

Praxisbeispiele
  • Olin gGmbH: Olin ist neben anderen Stiftungen seit einigen Jahren Mitglied in der Allianz Rechtssicherheit für politische Willensbildung e.V. Dieser Zusammenschluss von Organisationen fordert, die Gemeinnützigkeit für Organisationen der Zivilgesellschaft zu sichern, die Beiträge zur politischen Willensbildung leisten. Stiftungen drücken durch ihre Mitgliedschaft Solidarität mit ihren Förderpartner*innen aus und erfahren in gemeinsamen Diskussionen von ihren konkreten Problemen mit dem aktuellen Gemeinnützigkeitsrecht und ihrem Entwicklungsbedarf. [LINK]
  • Stiftung Mercator Schweiz: Für die Stärkung zivilgesellschaftlicher Organisationen spielen Vernetzung, Austausch und gezielte Förderung von Organisationsentwicklung eine wichtige Rolle. Über den Rahmen ihrer Projektförderung hinaus unterstützt die Stiftung Mercator Schweiz ihre Förderpartner*innen deshalb gezielt bei Organisationsentwicklungsprojekten sowie dem individuellen Kompetenzaufbau. Ein breites Angebot, unter anderem Workshops zu Agilität, Social Media oder Design Thinking, steht sowohl geförderten Organisationen als auch anderen zivilgesellschaftlichen Akteur*innen, die sich im Ökosystem der Stiftung bewegen, zur Verfügung. Ziel
    hiervon ist es, den Teilnehmer*innen praktische Methoden zu vermitteln, den bilateralen Erfahrungsaustausch zu stärken sowie die Schwerpunktsetzung in der Organisationsentwicklung zu begleiten. Um stets optimale Unterstützungsangebote für die sich laufend entwickelnden Bedarfe bereit zu stellen, plant die Stiftung aktuell eine Befragung unter Förderpartner*innen und weiteren relevanten Akteur*innen. [LINK]
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Stiftungen der Zukunft engagieren sich auch mit ihrem Kapital.

Die Geldanlagen von Stiftungen sollten mit den gleichen Werten und Prinzipien angelegt werden, mit denen sie auch gesellschaftlichen Wandel erreichen wollen. Ob durch nachhaltige Geldanlagen, aktive nachhaltige Investitionen oder Impact Investing, für uns ist klar: Stiftungen der Zukunft bringen die Ertragskraft und den gesellschaftlichen Wert ihrer Investitionsentscheidungen in Einklang und streben deren transparente und strategische Einordnung in den Gesamtstiftungszweck an.

Stiftungen können ihr Anlagevermögen nicht nur einsetzen, um Rendite zu erzielen, mit der sie ihre Stiftungszwecke verfolgen können. Auch durch gezielte Investitionen ihres Stiftungsvermögens können sie einen größeren sozialen Nutzen verfolgen. Fördergelder machen bei den meisten Stiftungen nur einen geringen Teil des gesamten Stiftungsvermögens aus. Die Frage, ob und wie dieses Vermögen auf eine Weise verwaltet wird, die mit den Werten der Stiftung übereinstimmt, schafft es dennoch nur in die wenigsten Stiftungsstrategien. Dabei haben Stiftungen die Möglichkeit, auch ihre Finanzpraktiken mit ihrem gesamtgesellschaftlichen Auftrag in Einklang zu bringen. Das stärkt zugleich ihre Glaubwürdigkeit wie auch ihre Wirksamkeit.

Eine mögliche Anlageform bietet das Impact Investing, das fundamentale gesellschaftliche Probleme nachweislich wirksam mit kommerziellen Geschäftsmodellen lösen möchte. Auch beim Impact Investing wird immer eine finanzielle Rendite angestrebt, entweder eine Marktrendite (Finance First) oder auch Unter-Marktrendite (Impact First). Setzen Stiftungen auf Impact First, kann ihre Investition entscheidend dafür sein, dass auch andere Kapitalgeber*innen überhaupt einsteigen, und öffnen so neue Tore für innovative Gründer*innen.

Wie können sich Stiftungen mit ihrem Kapital engagieren?

Praxisbeispiele
  • Dreilinden: Die Dreilinden gGmbH investiert in allen Anlageklassen mit Blick auf ihre Vision. Aktienanlagen werden streng gefiltert, Fonds von Direktinvestitionen nach LGBTQI*-Relevanz ausgesucht. Zudem bringt
    Dreilinden das direkte “Queer Lens Investing” voran, also Investitionen in LGBTQI*-Unternehmen in mehreren Weltregionen – von Darlehen an Kleinstunternehmen bis hin zu “DEI loans” (Darlehen an mittelständische Unternehmen mit speziellen Anreizen für LGBTQI*-Inklusion). [LINK]
  • Hoffnungsträger Stiftung: Die Hoffnungsträger Stiftung investiert in Wohnungen (Hoffnungsträger Häuser), die sie an Geflüchtete vermietet. Darüber erreicht sie eine soziale Wirkung und erzielt des Weiteren eine wirtschaftliche Rendite. [LINK]
  • BMW Foundation Herbert Quandt: Stiftungen können gesellschaftliche Probleme auch mit unternehmerischen Ansätzen lösen. Die BMW Stiftung Herbert Quandt finanziert das Sozialunternehmen African Clean Energy. Das Unternehmen baut Kochöfen, die wenig Schadstoffe ausstoßen, wodurch Frauen und Kinder in Entwicklungsländern einer geringeren gesundheitsschädlichen Rauchbelastung ausgesetzt sind. [LINK]